Klinisches Bild

Non-24 ist eine chronische zirkadiane Rhythmusstörung, die auf einer Nicht-Synchronisation der inneren (biologischen) Uhr mit dem 24-stündigen Licht-Dunkeltag beruht. Die biologische Uhr ist ein Zeitgeber für die verschiedensten physiologischen Prozesse (z.B. Schlaf-Wachzustand, Körpertemperatur, Gehirnaktivitäten, Nahrungsaufnahme und -verarbeitung, kardiovaskuläre und metabolische Funktionen), die eng aufeinander abgestimmt werden, um während des Tages (Hellphase) eine optimale Funktionsfähigkeit und während der Nacht (Dunkelphase) eine optimale Erholungsphase zu erreichen.1,2 Wenn die biologische Uhr nicht synchron zum Umgebungszyklus läuft, ist die Homöostase der physiologischen Funktionen gestört. Die Nicht-Synchronisation der zirkadianen Rhythmen mit dem 24-stündigen Tag-Nacht-Zyklus führt nicht nur zu Schlafdefiziten, Tagesschläfrigkeit und Stimmungsschwankungen, sondern kann auch die Leistungsfähigkeit (Arbeit, Schule) vermindern und soziale Kontakte (Familie, Freunde) beeinträchtigen.3,4

 

Die biologische Uhr bestimmt den zirkadianen Rhythmus

Unsere endogene biologische Uhr, die verantwortlich für die Terminierung und Koordinierung der vielfältigen physiologischen zirkadianen Rhythmen in unserem Körper ist, hat einen angeborenen Takt, der bei den meisten Menschen nicht ganz mit dem 24-stündigen Umgebungstag übereinstimmt.2,5 Die Periode (auch mit dem griechischen Buchstaben Tau τ gekennzeichnet) des endogenen biologischen Tags ist meist etwas länger als 24 Stunden, d.h. bei einer Periode von z.B. 24,5 Stunden verschiebt sich der zirkadiane Rhythmus (z.B. die Schlafenszeit und die Wachzeit) täglich fortlaufend um 30 Minuten gegenüber dem 24-stündigen Hell-Dunkel-Tag der Umgebung, so dass es Zeiten gibt, in denen die biologische Nacht auf den äußeren Tag fällt und der biologische Tag auf die äußere Nacht (Abb. 1). In diesen Zeiten kämpft ein Mensch mit Non-24 mit schweren Einschlaf- und Durchschlafproblemen nachts und einem ausgeprägten Schlafbedürfnis tagsüber mit möglichen Auswirkungen auf Leistungsfähigkeit und Stimmung.6,7 Erst nach einem Zyklus von 48 Tagen stimmt die Schlaf-Wacheinstellung, die durch die innere Uhr festgelegt wird, für kurze Zeit wieder mit den äußeren Umgebungsbedingungen überein und der Mensch kann nachts besser schlafen und tagsüber aktiver, aufnahmefähiger und besserer Stimmung sein.

 

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Abbildung 1: Zykluslänge bei einem biologischen Tag von 24,5 Stunden und Verschiebungen der biologischen Nacht gegenüber der Zeit des Umgebungstages

 

Die zirkadiane Zykluslänge kann sehr unterschiedlich sein

Die zirkadiane Zykluslänge ist definiert als die Zahl der Tage zwischen zwei aufeinanderfolgenden Angleichungen des biologischen Tags mit dem 24-Stundentag. Bei Personen, bei denen die biologische Uhr mit dem 24-Stundentag voll synchronisiert ist, beträgt die zirkadiane Zykluslänge einen Tag. Bei Non-24 Patienten mit freilaufendem Rhythmus kann die Zykluslänge je nach Länge der zirkadianen Periode Wochen bis Monate dauern (Abb. 2). Wenn die Patienten versuchen, sich in ihrem Schlafverhalten dem sozialen Umfeld und den äußeren Tag-Nachtverhältnissen anzupassen, leiden sie unter zyklisch auftretenden Schlafstörungen nachts, nämlich dann, wenn es für sie innerlich Tag ist, und ausgeprägter Müdigkeit tagsüber, da es dann für sie innerlich Nacht ist.6,7 Bei nur kurzer Überschreitung der zirkadianen Periode von 24,0 Stunden, d.h. nur geringfügigen täglichen Verschiebungen, können solche Zeiten mit Schlafstörungen sehr lange dauern, so dass die zyklische Natur der Schlafprobleme kaum mehr auffällt. Bei längeren zirkadianen Perioden mit größeren Verschiebungen täglich sind die Zyklen kürzer und leichter zu entdecken.

 

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Abbildung 2: Die zirkadiane Periode bestimmt die Zykluslänge

 

Non-24 verursacht eine ständige Verschiebung der Schlaf-Wachzeiten

Die Abbildung 3 zeigt Beispiele des Schlafverhaltens eines Menschen mit synchronisierter biologischer Uhr (Periode 24,0 Stunden) und eines Menschen mit freilaufender biologischer Uhr (Periode 24,5 Stunden). Bei vorliegender Synchronisation liegen die Schlafzeiten durchgehend kompakt in der Nacht (violette Linien) mit nur vereinzelten Schlafepisoden tagsüber (gelbe Linien). Läuft die innere Uhr frei nach ihrem endogenen Rhythmus, so werden im Verlauf der Tage die Schlafzeiten während der äußeren Nacht immer weniger und nehmen tagsüber zu bis nach 48 Tagen wieder ein neuer Zyklus anfängt. Diese Person folgt ihrem endogenen Schlaf-Wachrhythmus und hat deswegen weniger Schlafdefizite als Personen mit Non-24, die versuchen, sich dem äußeren Tag-Nacht-Rhythmus und damit dem sozialen Tag anzupassen. Es wird jedoch auch sichtbar, dass der Nachtschlaf – selbst bei vorübergehender Parallelität mit der äußeren Nacht – nicht so kompakt und deswegen nicht so erholsam ist wie bei vorhandener Synchronisation.

 

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Abbildung 3: Schlafverhalten bei einem auf 24 Stunden synchronisierten und bei einem freilaufenden (Non-24) Schlaf-Wach-Rhythmus8

 

Referenzen:

1. Duffy JF & Czeisler CA. Effect of light on human circadian physiology. Sleep Med Clin 2009;4:165-177.
2. Czeisler CA & Gooley JJ. Sleep and circadian rhythms in humans. Cold Spring Harb Symp Quant Biol 2007;72:579-597.
3. American Psychiatric Association. Diagnostic and statistical manual of mental disorders, 5th ed. Washington, DC: American Psychiatric Publishing 2013.
4. Barion A & Zee PC. A clinical approach to circadian rhythm sleep disorders. Sleep Med 2007;8:566-577.
5. Uchiyama M & Lockley SW. Non-24-hour sleep-wake rhythm disorder in sighted and blind patients. Sleep Med Clin 2015;10:495-516.
6. Bjorvatn B & Pallesen S. A practical approach to circadian rhythm sleep disorders. Sleep Med Rev 2009;13:47-60.
7. Lockley S et al. Alertness, mood and performance rhythm disturbances associated with circadian sleep disorders in the blind. J Sleep Res 2008;17:207-216.
8. Dressman MA, et al. Poster presented at: 26th Annual Meeting of the Associated Professional Sleep Societies, LLC; June 10, 2012; Boston, MA. Poster 49.